Warum ich einen Blog zu Wertschätzung schreibe. Anlass war ein Artikel, über den ich in meiner Tageszeitung gestolpert bin, – zum Thema „Ampel-Bashing“. Ich bin regelmäßig entsetzt, wenn ich lese, welchen Anfeindungen, Beschimpfungen und Drohungen Politiker ausgesetzt sind, besonders auch Lokalpolitiker, also Menschen, die Nachbarn sind. Wo bleibt Respekt und Wertschätzung? Geht uns das gerade in der Gesellschaft verloren? Und wie ist es in den Unternehmen? Hat Wertschätzung Einfluss auf den Unternehmenserfolg? Gibt es so etwas wie einen Nährboden und ein Verhalten aus denen Anerkennung und Wertschätzung wächst?
Wertschätzung als Turbo und Teil der Unternehmenskultur
Fangen wir doch einmal bei Ihnen an. Wann haben Sie sich das letzte Mal gelobt? Waren stolz auf sich, weil Sie sich mutig Ihre eigene Meinung vertreten haben? Haben Ihre eigene Leistung anerkannt? Sie sind skeptisch, sich selbst zu loben und anzuerkennen? Klingt Ihnen jetzt der Satz im Ohr „Eigenlob stinkt“. Wenn Sie sich selbst loben und wertschätzen, dann ist das gut für Ihr Selbstbewusstsein. Untersuchungen belegen, dass Lob die Ausschüttung von Glückshormonen auslöst. Das gilt auch für Eigenlob. Sie stellen damit Ihre Energie aus eigener Kraft her. Werden stärker und autark und sind nicht mehr nur von der Wertschätzung anderer abhängig.
Natürlich tut es uns gut, wenn wir von anderen gelobt werden. Dann sieht der Tag ganz anders aus und unser Selbstbewusstsein steigt. Anerkennung von außen kann jedoch auch wie eine Droge wirken. Wir wollen immer mehr davon und sind nie richtig zufrieden mit dem, was kommt. Wir sind oft getrieben von unserem inneren Kritiker und werden wahre Experten und Expertinnen auf dem Gebiet der Selbstkritik. Wir haben eigentlich nie Angst, uns zu viel zu kritisieren, aber wir haben Angst vor zu viel Selbstwertschätzung. Auf die Balance kommt es an.
Mein Tipp
Verändern Sie Ihren inneren Dialog. So gewinnen Sie mit Leichtigkeit mehr Freude und Energie. Stellen Sie sich vor dem Schlafgehen jeden Abend die Frage: Welche drei Dinge sind mir heute gelungen. Worauf bin ich stolz. (Kritisch sind Sie ja schon den ganzen Tag mit sich gewesen). Dieser kleine Tagesrückblick wirkt wie eine Energiequelle.
Und noch ein Grund, warum Selbstwertschätzung und Eigenlob wichtig ist:
Wer nicht wahrgenommen wird, ist nicht wertgeschätzt
Laut einer HR-Studie aus 2022 im Auftrag von Personio ist fehlende Wertschätzung mit 35 % der zweitwichtigste Grund, warum Menschen Unternehmen verlassen. Führen Sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Teams? Fühlen Sie sich wertgeschätzt? Ist Ihr Wertschätzungstank ausreichende gefüllt?
Wenn nicht, könnten Ihre Mitarbeiter ein echtes Problem bekommen. Denn wenn Sie als Führungskraft selbst kaum oder nur geringe Anerkennung erfahren, fällt es Ihnen schwer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber Anerkennung auszusprechen. Das führt zu einer Abwärtsspirale, zu Demotivation und schlimmstenfalls zur Kündigung. Was können Sie tun?
Auch wenn das Unternehmen, in dem Sie arbeiten, von KPIs, Zielen, Vorgaben und einem harten Wettbewerb geprägt ist, die wahren Erfolgsfaktoren sind die Menschen. Und Menschen brauchen Anerkennung, ihre Leistung soll gesehen und sie wollen als Mensch wahrgenommen werden – es geht um Menschlichkeit und Wertschätzung. Und das ist eine Frage Ihrer inneren Haltung als Führungskraft und der Unternehmenskultur. Sie geben den Takt vor.
Mein Tipp
Stellen Sie sich einmal am Tag die Frage:
Habe ich heute meinen Mitarbeitern ausreichend und mit einer offenen inneren Haltung zugehört? Und falls Sie es verpasst haben, dann suchen Sie gleich am nächsten Tag das bilaterale Gespräch.
Wichtig ist, was beim Empfänger ankommt: Die Mitarbeiterperspektive ist entscheidend
Es gibt in jedem Unternehmen und jeder Organisation Teams, die unterschiedlich performen. Und Unterschiedliches zum Unternehmenserfolg beitragen. Ein Beispiel:
Schauen wir uns Team A an: Es erfüllt regelmäßig die vorgegebenen Ziele. Die Kolleginnen und Kollegen gehen höflich miteinander um. Wenn man den Raum betritt, ist jede und jeder in die Arbeit vertieft. Fehler passieren selten. Deadlines werden nicht gerissen. Die Führungskraft lobt ihre Mitarbeiter. Kündigungen kommen vor. Warum dafür hat die verantwortliche Führungskraft gute Argumente.
Dann gibt es ein Team B: Die Kollegen gehen locker miteinander um, treffen sich schon mal während der Arbeitszeit zu einem Coffee break. Im Team wird häufiger gelacht. Jede und jeder fühlt sich akzeptiert und wertgeschätzt. Aus diesem Team kommen häufiger neue Ideen, die auch umsetzbar sind. Und man arbeitet bei einer interessanten Aufgabe auch mal länger.
Was glauben Sie, welches Team profitiert von Vertrauen und wertschätzenden Beziehungen? Welchen Anteil hat die Führungskraft? Wo durch entsteht Produktivität, Wachstum und Innovation?
Ich bin mir fast sicher, beide Führungskräfte sind überzeugt, dass sie ihren Mitarbeitern ausreichend Anerkennung und Wertschätzung entgegenbringen. Doch entscheidend ist nicht die Meinung der Führungskräfte, sondern wie Mitarbeiter Lob, Anerkennung und Wertschätzung empfinden. In einer Studie von „Kraftwerk Anerkennung“ (2013) waren 81 % der Führungskräfte überzeugt, dass sie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausreichend Anerkennung geben, jedoch nur 60 % der Mitarbeiter fühlten sich ausreichend wertgeschätzt. Einer der Gründe ist sicher, dass wir von uns auf andere schließen. So erhalten Wörter und Gesten eine unterschiedliche Bedeutung, die uns oft nicht bewusst ist. Wir glauben, wir hätten für die Arbeit gelobt und die Mitarbeitenden geschätzt.
Menschen merken sehr deutlich, ob ein Lob als Taktik eingesetzt wird. Dann wirkt es unecht und verstörend und bewirkt letztendlich das Gegenteil. Lob als spontane Form der Wertschätzung bezieht sich immer auf eine vollbrachte Leistung oder ein Verhalten. Anerkennung dagegen steht für Anstrengung und Engagement, auch wenn diese nicht erfolgreich war.
Fünf Zeichen der Wertschätzung*:
- Lob und Anerkennung
- Hilfe und Unterstützung
- Materielle Zuwendung
- Gemeinsam verbrachte Zeit
- Aufmerksamkeit und Zuwendung
Fragen Sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Die Menschen sind unterschiedlich und so verschieden sind die Worte und die Gesten, mit denen man sie erreicht. Denn Wertschätzung beruht nicht nur auf Fakten und Ergebnissen, sondern insgesamt auf das Anerkennen der Anstrengungen und Emotionen, die Menschen in ihre Arbeit stecken. Es geht darum, diese zu sehen und anzusprechen. Loben Sie Ihre Mitarbeiter für Ihren Einsatz, die positiven Auswirkungen auf das Ergebnis oder den Teamspirit, den guten Service. Auch wenn es vielleicht Old School ist: Laden Sie das Team zum Lunch ein, organisieren Sie ein gemeinsames Frühstück.
Mein Tipp
Wenn Sie wissen wollen, ob Sie wertschätzend Führen, dann suchen Sie das direkte Gespräch mit den Mitarbeitern. Zeigen Sie Ihre Anerkennung und Wertschätzung und bitten Sie um ein ehrliches Feedback. Nutzen Sie bei ausscheidenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Abschlussgespräch und fragen Sie nach Versäumnissen von Ihrer Seite und Tipps, was Sie machen können, um Kündigungen vorzubeugen.
Führen Sie so, wie Sie geführt werden wollen
Deutschland wird auch als das Land der Anerkennungsmuffel gesehen. Machen Sie nicht mit. Reflektieren Sie regelmäßig Ihre Haltung sich selbst gegenüber und Ihre Haltung zu den Menschen, für die Sie verantwortlich sind. Ob im Job oder privat.
Und nicht vergessen:
Wem wollen Sie heute besondere Aufmerksamkeit schenken? Einem Mitarbeiter? Dem ganzen Team? Einem Kunden oder sich selbst? Tun Sie es. Denn Selbstwertschätzung und Wertschätzung sind der Nährboden für Produktivität, Innovation und Wachstum.
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Einige meiner Gedanken habe ich aus dem Buch *„Echte Wertschätzung: Beziehungen stärken. Vertrauen vertiefen. Teams gemeinsam entwickeln“ von Christian Bernhardt. Spannend und lesenswert geschrieben.
Foto: Christian Reister