Fast jede Woche erscheint eine Veröffentlichung mit der Forderung, Beschäftigte sollen länger arbeiten, weil es nicht genügend Arbeitskräfte gibt. Hinzu kommt, dass sich die Lebensarbeitszeit verlängert hat. Viele Arbeitende sind inzwischen deutlich älter, wenn sie in den Ruhestand gehen. Die Unternehmen sind häufig nicht darauf vorbereitet, so viele unterschiedliche Generationen in den eigenen Reihen zu beschäftigen. Und die Generationen wissen zu wenig übereinander, über ihre unterschiedlichen Erwartungen, ihre Arbeitsweisen und ihre Einstellungen zur Arbeit. So entsteht ein Nährboden für Konflikte. Keine Generation fühlt sich verstanden und wertgeschätzt, worunter das Gesamtergebnis leidet.

Aus Sicht der Älteren war es früher so, dass die Erfahrenen die Jungen angelernt haben. Die technische Entwicklung hat dieses Paradigma geändert: Die Jungen sind als Digital Natives den Digital Immigrants im Umgang mit den digitalen Technologien voraus. Die ältere Generation bringt Erfahrung, Wissen, Gelassenheit, Erkennen des Wesentlichen und Menschenkenntnis als wichtige Werte für ein Unternehmen.

Wie bringt man unterschiedliche Generationen zusammen? Weggucken geht nicht mehr. Was ist zu tun?

Meine Einschätzung ist, wenn in den Unternehmen auf allen Ebenen das Bewusstsein geweckt wird, dass hier Menschen mit unterschiedlicher Sozialisation und unterschiedlichen Bedürfnissen zusammenarbeiten, besteht die Chance, den Generationskonflikt als etwas Natürliches anzusehen und den Blick auf die Chance zu richten, die darin liegen, die vielfältige Intelligenzen zu einem Neuen zusammenzuführen. Diese Blickrichtung scheint mir zukunftsorientierter und erfolgversprechender als das Jammern von beiden Seiten. Ob über zu wenig Respekt vor den Hierarchien der Babyboomer oder zu wenig Wertschätzung durch die Babyboomer für die Millennials.

Könnte es nicht sein, dass Respekt und Wertschätzung jeweils anders definiert wird?

Austausch und Reden helfen, um ein Verständnis zu entwickeln

Wenn altersübergreifende Zusammenarbeit gelingen soll, geht es in erster Linie darum, den Anderen erst einmal in seinem anders sein zu akzeptieren und sich zu fragen, warum ist das so? Es macht einen Unterschied, ob ich mit Werten des Nachkriegsdeutschlands erzogen wurde, ob meine Mutter am Herd stand oder mit den Werten der nachfolgenden Generation. „Gehe hundert Schritte in den Schuhen eines anderen, wenn du ihn verstehen willst“. Leicht gesagt, wenn Werte und Erwartungen der Generationen so verschieden sind.

Unterschiedliche Bedürfnisse, die zu gegenseitigen Vorwürfen und Missverständnissen führen:

  • Wunsch nach Autonomie und Flexibilität versus Stabilität und Routinen
  • Leben, um zu arbeiten versus Arbeiten, um zu leben
  • Hohe Identifikation mit dem Arbeitgeber versus Spaß und Sinn
  • Bereitschaft, die Extra-Meile zu gehen versus Work-Life-Balance
  • Arbeitgeber mit guten Namen versus Arbeitgeber mit passendem Weltbild

Generationenvielfalt, eine Herausforderung an die Führung

Es ist harte Führungsarbeit, verschiedene Generationen parallel zu beschäftigen. Durch die Generationen-Brille auf die aktuelle Situation im Team oder Unternehmen zu gucken, schafft erst einmal Erleichterung und Entzerrung, denn es hilft, Konflikte zu verstehen. Verstehen ist Voraussetzung, um Konflikte zu managen. Umfrageergebnisse sagen, dass zwei Drittel der Arbeitenden Erfahrungen mit generationsbedingten Konflikten haben.

Durch die Digitalisierung und neue Arbeitsformen während Corona mussten sich Unternehmen in kürzester Zeit anpassen, Prozesse und Hierarchien verändern. Das war für viele aus der Generation X irritierend. In der Führung geht es darum, Verständnis für die unterschiedlichen Erwartungshaltungen und Werte im Generationsmix zu fördern. Dazu braucht es Erklärungsarbeit:

  • Babyboomer (Mitte 40er – Mitte 60er): „Leben, um zu arbeiten“.
  • Generation X (Ende 60er-Ende 70er): „Arbeiten, um zu leben“
  • Generation Y (Millennials, Anfang 80er – Anfang 90er): „Erst leben, dann arbeiten“
  • Generation Z (Anfang 90er – bis ?) „Leben und Arbeiten als fließender Prozess“

(Aus der Fachzeitschrift „Personalwissen“)

Bei der Zusammensetzung von Teams für ein komplexes Projekt geht es nicht mehr nur um das Thema Diversität der Geschlechter, Charaktere und um Fachwissen, sondern zunehmend auch um das Thema Generation. Untersuchungen zeigen, dass altersgemischte Teams leistungsstärker sind als Teams mit Mitarbeitern einer Altersklasse, egal welcher Generation. Es reicht allerdings nicht, Teams altersgemischt zusammenzusetzen. Produktivität stellt sich nicht automatisch ein.

Generationsintelligenz* statt Generationskonflikt. Was kann Führung tun?

5 konkrete Ansätze, wie Sie in Ihrem Team die Intelligenz der Generationen zusammenführen und fördern können.

  1. Verständnis wecken für die „Eigenheiten“ der unterschiedlichen Generationen. Es ist Aufgabe von Führung, die organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen, zum Beispiel „Austausch-Formate“ ins Leben rufen wie Generationen Cafe, Fuck Up Nights und Generationenbotschafter.
  2. Gelegenheiten zur funktionierenden Zusammenarbeit schaffen und neue Ansätze fördern zum Beispiel Tandems, Reverse Mentoring.
  3. Eine Unternehmenskultur fördern, die auf Verständigung, Vertrauen und Verbindung basiert und eine offene Fehlerkultur pflegt.
  4. Bewusstsein der Führungskräfte als Vorbildfunktion stärken.
  5. Organisationelle Voraussetzungen schaffen, die Generationsintelligenz fördert wie Coworking, Flexibilitätskonzepte und Agiles Arbeiten.

Ich sehe in der Vielfalt der Generationen eine Chance, weil Vielfalt von Menschen auch Vielfalt im Denken, Handeln und vielfältige Lösungsansätze fördert. Diversität kann den Fachkräftemangel ausgleichen, Innovation in Produkte und Dienstleistungen bringen und neue Zielgruppen und Märkte erschießen.

Als agiler Mensch der Generation Babyboomer kenne ich die Vorzüge mehrerer Generationen und unterstütze Sie dabei, gemischte Teams erfolgreich zu machen.

Quellen:
* Begriff und Konzept von Dr. U. C. Straßer in OrganisationsEntwicklung
Ausgabe 4/22 von OrganisationsEntwicklung mit dem Titel „Die Nächsten, bitte“ https://shop.zeit.de/handelsblatt-x-zeit-shop/business-magazine/organisationsentwicklung/
Harvard Business manager 9/2022 „Karriereexpertin „Babybommer erwarten Ehrerbietung von ihren jüngeren Kollegen“ https://www.manager-magazin.de/harvard/fuehrung/altersunterschiede-wie-generationen-in-unternehmen-zusammenarbeiten-a-f945dbe8-9cc2-446b-a482-c911976af699
Foto: Christian Reister